Der Auftakt zur Bücherverbrennung in Berlin - Die
Antrittsvorlesung des Alfred Baeumler
Die Inszenierung der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in der
damaligen Reichshauptstadt Berlin wurde durch die Antrittsvorlesung
des neu berufenen Ordinarius für Philosophie und politische Pädagogik
der Friedrich-Wilhelms-Universität, Alfred Baeumler, eröffnet.
Dieser rechtfertigte in seinem Vortrag mit dem Titel "Hochschule,
Wissenschaft und Staat" die bevorstehende Bücherverbrennung
und die wissenschaftsfeindliche Gesinnung der NS-Studenten. Der Hörsaal
war überfüllt, die meisten Studenten erschienen in SA-Uniform.
Hinter dem Katheder, von dem aus Baeumler sprach, nahmen drei Studenten
in SA-Uniform mit Hakenkreuzfahne Stellung.
"(...) Meine Herren! Ich vertraue darauf, daß Sie nicht ausgezogen
sind, weil Sie die strenge wissenschaftliche Arbeit fürchten, sondern
nur deshalb, weil Sie in dieser Arbeit keinen Sinn mehr fanden, weil
Sie diese Arbeit nur tun wollen in einer Schule, die Ihrer Vorstellung
von der Größe und Einheit des deutschen Volkes entspricht.
Die stille, zähe Arbeit, das Wissen und Können, das an den
deutschen Hochschulen noch immer zuhause ist, wird von Ihnen, ich weiß
es, geachtet. Sie waren nur politische Menschen genug, um sich nicht
durch den Hinweis auf diese Arbeit von der geschichtlich notwendigen
Tat zurückhalten zu lassen. Denn diese Tat, die Veränderung
des Gesichts unserer Hochschule, mußte geschehen. Und hier liegt
der letzte Grund des Konflikts: wenn man von Ihnen immer wieder die
Anerkennung der stillen Arbeit verlangte, dann war in dieser Forderung
schließlich doch der Gedanke verborgen, daß es einer tiefer
gehenden Veränderung des Gesichts unserer Hochschule nicht bedürfe.
Der Konflikt mußte mit dem Ausbruch der Revolution auf den Höhepunkt
kommen, denn nun tauchte in vielen Ihrer Lehrer der Wunsch und die Hoffnung
auf, es würde nun wieder wie vor dem Jahre 1918. Aber die Geschichte
kennt kein Zurück - weder vor das Jahr 1918 noch zum Jahre 1818,
in welchem Hegel an dieser Stelle seine Vorlesungen eröffnete.
(...)
Diejenigen, die in diesen Tagen die Freiheit des Geistes gegen uns glauben
verteidigen zu müssen, berufen sich wohl manchmal auf die Philosophie
des deutschen Idealismus, die ja eine Philosophie des Geistes gewesen
ist. Aber wenn Fichte und Hegel Freiheit forderten, so forderten sie
nicht Freiheit für jede Meinung, auch nicht für jede gut begründete
Meinung.(...)
Die Gefolgschaft Adolf Hitlers kennt das Symbol, die Darstellung der
Idee in einem Menschen, in einer Fahne. Das Führerprinzip und die
Symbole des Nationalsozialismus haben den Begriff der Idee neu geprägt.
(...) Als ob wir nicht, weil wir Heil Hitler sagen, Heil Deutschland
meinten! Aber wir meinen es konkret, wir meinen es eindeutig, wir meinen
es politisch. Hitler ist nicht weniger als die Idee - er ist mehr als
die Idee, denn er ist wirklich. (...)
Die pazifistische Propaganda der letzten Jahre konnte sich nur deshalb
so hemmungslos verbreiten, weil der soldatische Typus in unserem geistigem
System keinen festen Ort hatte. Die eigentliche Geistigkeit des Soldaten,
Soldatentum als Lebensform war nicht erkannt. (...)
Eine neue Epoche beginnt. Die Epoche der Seelenbindung und Seelenführung
liegt hinter uns. Wir erkennen keine Macht an, die geistig und politisch
zugleich ist, wir haben nicht einen Papst, wir haben einen Führer.
Wer nicht mit uns leben und sterben kann, der wird nicht als Ketzer
verbrannt. Er bleibt unbehelligt, wenn er uns nicht angreift. Hinter
uns liegt aber auch die Epoche der Neuzeit, die Epoche der Gewissensfreiheit,
des Individualismus. Wir stellen es dem Einzelnen nicht frei, die Symbole
anzugreifen und zu verwerfen, in denen sich unsere Einigkeit offenbart.
Sie ziehen jetzt hinaus, um Bücher zu verbrennen, in denen ein
uns fremder Geist sich des deutschen Wortes bedient hat, um uns zu bekämpfen.
Auf dem Scheiterhaufen, den sie errichten, werden nicht Ketzer verbrannt.
Der politische Gegner ist kein Ketzer, ihm stellen wir uns im Kampfe,
er wird der Ehre des Kampfes teilhaftig. Was wir heute von uns abtun,
sind Giftstoffe, die sich in der Zeit einer falschen Duldung angesammelt
haben. Es ist unsere Aufgabe, den deutschen Geist in uns so mächtig
werden zu lassen, daß sich solche Stoffe nicht mehr ansammeln
können. Wir dürfen nicht auf Verbote bauen. Aus uns selber
heraus müssen wir den undeutschen Geist überwinden. Das Welttheater,
das vor uns liegt, das politische Welttheater, das Welttheater des Sozialismus,
es wird nicht ein Welttheater des Cäsaro-Papismus sein. Die deutsche
Universität wird niemals das geistige Durchführungsinstrument
eines außer ihr liegenden Willens werden. Sie hat ihre eigene
Beziehung zum Ganzen. Politik und Geist sind vereinigt in den Symbolen,
aber getrennt in den Organen. In der Deutung der Symbole sind wir frei."
Alfred Baeumler, Antrittsvorlesung in Berlin. Gehalten am 10. Mai 1933,
in: ders.: Männerbund und Wissenschaft, Berlin 1934.