Hintergründe
"Die Feuer brannten. Auf dem Opernplatz in
Berlin. Auf dem Königsplatz in München. Auf dem Schlossplatz
in Dresden. Vor der Bismarcksäule in Dresden. Auf dem Römerberg
in Frankfurt. Sie loderten in jeder deutschen Universitätsstadt."
[Erich Kästner]
In den späten Abendstunden des 10. Mai 1933 erhellten
brennende Scheiterhaufen deutschlandweit die zentralen Plätze der
Universitätsstädte. Große Menschenmengen waren aufmarschiert,
um Bücher zu verbrennen. Studenten in SA-Uniform schleuderten Werke
Hunderter Schriftsteller, Wissenschaftler und Publizisten in die Flammen.
Die Bücherverbrennungen waren Höhepunkt der zentral gesteuerten
Aktion "Wider den undeutschen Geist".
Bis heute steht das öîffentliche Gedenken an die Bücherverbrennung
im Widerspruch zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der über 70
nachweisbaren Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. Zwar ist
bekannt, dass die so genannten Autodafés unter dem Motto "Wider
den undeutschen Geist" stattfanden. Dass es sich bei der "Aktion
wider den undeutschen Geist" jedoch um eine mehrwöchige Kampagne
handelte, in deren Verlauf die geistes- und innovationsfeindlichen Repressionen
der entstehenden NS-Diktatur anfingen, ihre eigentliche Wirksamkeit
zu entfalten, ist weitgehend unbeachtet geblieben. Bis heute sind die
"Aktion wider den undeutschen Geist" und die Bücherverbrennungen
wissenschaftlich nicht hinreichend aufgearbeitet. Unerforscht ist zum
Beispiel die Tatsache, dass schon ab März 1933, also noch vor dem
10. Mai, in Deutschland zahlreiche Bücherverbrennungen stattfanden.
Kaum jemand weiß, dass die "Aktion wider den undeutschen
Geist" aus dem "Judenboykott" vom 1. April 1933 hervorging
und dass bei der Kampagne neben der "Deutschen Studentenschaft"
weitere Akteure mitwirkten, deren jeweilige Rolle noch ungeklärt
ist. Historisch kaum beachtet worden ist auch der Zusammenhang zwischen
dem Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 und dem studentischen Terror
an den Universitäten. Die massive Vertreibung der deutsch-jüdischen
und kritischen wissenschaftlichen Exzellenz setzte nämlich während
der "Aktion wider den undeutschen Geist" ein. Zum Großteil
unausgewertet sind nicht zuletzt die Akten der Indizierungsausschüsse,
die im Frühjahr 1933 meist unabhängig voneinander daran gingen,
"Schwarze Listen" mit der auszusondernden Literatur zusammen
zu stellen.
Indem diese Webseite sich auf die Dokumentation der "Aktion wider
den undeutschen Geist" und der Bücherverbrennung in Berlin
beschränkt, kann sie selbstverständlich nicht alle noch bestehenden
Forschungsdesiderate aufarbeiten, sondern nur auf diese hinweisen. Inhaltlich
baut sie auf das Ausstellungsprojekt an
der Humboldt-Universität zu Berlin im Herbst 2001 auf.
(Geleitwort: Werner Treß)